Startseite >> Tips >> Drehen >> Schwungmassen
Praxisbericht
Drehen V

Das Anfertigen von Schwungmassen
So eine Schwungmasse sieht recht einfach aus, ist ja eigentlich nur ein Stückchen Rundmaterial mit Loch, muß aber doch ebenso genau gefertigt werden wie ein Rad. Die an der Motorwelle auftretenden Umdrehungen pro Minute sind doch deutlich höher als am Rad und kleinste Ungenauigkeiten führen zu einer Unwucht, die zum "Schlagen" der Schwungmasse führt. Das äußert sich in einem merklichen Zittern der Lokomotive und in deutlich hörbaren Geräuschen.
Das grundsätzliche Problem sind die Rundlauf-Ungenauigkeiten der normalen Drehmaschinen, jedes Umspannen bringt neue Unwucht, deshalb sollte die potentielle Schwungmasse nicht umgespannt werden und in einem Durchgang gefertigt werden.
Grob unterteilt gibt es zwei Arten von Schwungmassen, jene, die auf ausreichend lange Motorwellen aufgesteckt werden und sich dann zwischen Motorlager und Mitnehmer oder Zahnrad/Schnecke sitzen  und die, die wegen zu kurzer Motorwelle auf einer Seite die Aufnahmemöglichkeit für die Kardanwelle o.ä. haben müssen. Diese kann ebenfalls gedreht werden, ich bevorzuge aber, nach einiger Erfahrung, "durchbohrte" Schwungmassen und stecke lieber eine Welle ein, als einen Zapfen zu drehen.
Zur besseren Wirkung sollten Schwungmassen so groß wie möglich ausgeführt werden. Eine Daumenregel sagt, eine vom Durchmesser verdoppelte Schwungmasse hat die gleiche Wirkung wie eine auf die vierfache Länge gebrachte Schwungmasse mit dem angenommenen Durchmesser 1.
  

Bild 1
Einspannen des Rundmaterials.
Das Rohmaterial, gewöhnlich Messing-Rundmaterial (Modulor (geht so) oder Conrad (sauteuer) wird eingespannt. Da Messing recht weich ist, sollte man das Material kurz einspannen. sonst kann es passieren, daß unter dem Druck des Drehmeißels das Material an den Backen nachgibt.
Nach dem Einspannen sieht man u.U. schon, wie der Stab schlägt. Zuerst wird, wie in meinem Falle, von neuem Material die gesägte und schiefe Stirnseite abgestochen.


Bild 2
Das Rohmaterial vorn Abstechen.
Auf dem folgenden Bild kann man recht gut den selbstgeschliffenen Meißel erkennen. Durch seine geringen Abmessungen würde benötigt er eine Reihe Unterlagen, um auch in der richtigen Höhe zu sitzen, damit in Futterlängsachse kein Material stehen bleibt.



Bild 3
Das Abstechen.
Dann wird die durchgehende Bohrung vorbereitet. Dafür nutzt man eine Zentrierbohrer, den das folgende Bild zeigt.


Bild 4
Der Zentrierbohrer im Futter des Reitstockes.
Der Reitstock ist gerade bei Heimwerkergeräten nicht so 100%ig perfekt. Einige Besitzer klagen über einen Höhenversatz, bei mir war es im Lieferzustand ein seitlicher Versatz von rund 1,3 mm. Das sollte deshalb vorher überprüft und so weit möglich korrigiert werden. Exakt wird man das kaum hinbekommen, deshalb der Hinweis, das Bohrfutter des Reitstockes möglichst weiter raus zudrehen, um durch das zusätzliche Spiel den Bohrern die Möglichkeit zu geben, durch Verbiegung den Versatz auszugleichen.


Bild 5
Der Zentrierbohrer kurz vor dem Ansetzen.

Nach dem Setzen der Zentrierbohrung wird die Bohrung für die Motorwelle mit minimalem Untermaß eingebracht. Für die üblichen Wellen mit 2 mm Durchmesser sind 1,95 mm eine gute Wahl. Fehlt ein solcher Bohrer, sollten nicht 1,9 oder gar 1,8 mm gebohrt werden. Da bekommt man nie eine Welle rein und wenn, dann nur unter Inkaufnahme von Schäden oder Unwucht. Dann lieber 2 mm bohren und die Schwungmasse mit Sekundenkleber sichern. Das hält bei mir bombenfest.
Benutzen Sie "Bohr- und Schneidöl" um ein Abbrechen des recht kleinen Bohrers zu verhindern. Lieber öfter den Bohrer wieder rauskurbeln und von Spänen befreien, als in einem Zug durchbohren.
Bohren Sie tiefer als die Dicke der Schwungmasse betragen soll! Nachbohren ist kein guter Vorschlag. Einmal wird die Oberfläche der Schwungmasse durch das Backenfutter verändert, was zu einer Unwucht führen kann. Zum anderen ist nicht garantiert, daß beim Nachbohren die vorhandene Aufnahmebohrung nicht verändert wird.



Bild 6
Das Bohren der Wellenaufnahme.
Ist die Bohrung fertig, wird die zukünftige Schwungmasse überdreht. Dabei sparsam rangehen, immer nur wenige hundertstel mm überdrehen, bis die Oberfläche vollkommen gleich aussieht. Will sagen, die angelaufene Oberfläche um komplett runter. wo sie noch sichtbar ist, hat die Schwungmasse Untermaß.
Dann messe ich die Dicke der Schwungmasse  und setze mit einem Abstecher genau am Ende an. Bis etwa zur Hälfte stecke ich die Nut ein, dann werden die Kanten an der Schwungmasse bei Bedarf (wenn zu scharf) gebrochen und mitunter poliere ich die Oberfläche auch.
Arbeitsschutzhinweis: Kanten brechen sollte mit einem eingespannten Drehmeißel und nicht mit einer Schlüsselfeile erfolgen. Eigentlich sollte das klar sein, den wenn der Bediener abrutscht, gerät das Werkzeug u.U. in das Backenfutter, wird aus der Hand geschlagen und fliegt mit Wucht durch den Raum. Also: Kein Leichtsinn!
Auch das Polieren mit in der Hand gehaltenem Sandpapier o.ä. bei laufender Maschine verstößt gegen sämtliche Arbeitsschutzregeln. Auch dafür gibt es geeignete Werkzeuge. Wenn ein Finger vom laufenden Backenfutter erfaßt wird, ist das nicht nur sehr schmerzhaft, die folgende Verletzungen sorgen auch dafür, daß mit mit dem Modellbau erst einmal pausiert werden muß.



Bild 7
Einstechen der Nut...
Das Abstechen ist nun kein Akt mehr, man sollte nur darauf achten, daß die fertige Schwungmasse nicht unglücklich fällt und dabei Dellen und Kerben bekommt. Stichwort: Unwucht.


Bild 8
...und das Abstechen aus einer anderen Perspektive.

Abschließende Arbeiten:
Bei Bedarf müssen die Bohrungen nun noch mit der Hand entgratet werden. Dann wird eine Welle (ich benutze dafür Wagenachsen alter Piko-Radsätze, mit 2 mm Durchmesser) bis zur Hälfte eingesetzt. Die Motorwelle muß bei Bedarf abgeflext werden, dann wird die Schwungmasse auf gesetzt und bei Bedarf gesichert.
Wenn man sauber gearbeitet hat, zeigen weder Schwungmasse noch der eingesetzte Wellenstumpf beim Probelauf eine Unwucht.







Praxisbericht
Drehen